Wie der Finanzplatz Frankfurt als Green-Finance-Standort vorankommt | Episode 05

Shownotes

Frankfurt wird Hauptsitz des International Sustainability Standards Board, ISSB, das weltweit einheitliche Standards für die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen erarbeiten soll. Welche Bedeutung hat das ISSB für Frankfurt? Wann nimmt es seine Arbeit auf? Hinkt der Finanzplatz Frankfurt anderen europäischen Standorten in Sachen Green Finance hinterher, und was können Politik und Finanzindustrie dazu beitragen, um ihn noch schneller voranzubringen? Diese und andere Fragen erörtert Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, im Gespräch mit Detlef Fechtner und Christiane Lang.

Profil von Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

Highlights aus dem Informationsangebot der Börsen-Zeitung:

Hören Sie auch in "7 Tage Märkte – die Wochenvorschau" sowie "#Volatility – Der Anlagepodcast von QC Partners und Börsen-Zeitung" rein.

Folgen Sie uns auf diesen Social-Media-Plattformen:

Transkript anzeigen

#00: 00:08-3# „Nachhaltiges Investieren – der Podcast für die Investmentfondsbranche mit freundlicher Unterstützung von Union Investment“

#00: 00:17-3# Die Ampelkoalition will Deutschland zum führenden Standort für nachhaltige Finanzierungen machen. Und ein Schritt in diese Richtung ist sicher, dass Frankfurt demnächst Hauptsitz des ISSB, des International Sustainability Standards Board wird. Dieses Gremium wird künftig für weltweit einheitliche Standards für die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen sorgen. Welche Bedeutung das ISSB für den Finanzplatz Frankfurt hat, wie Frankfurt in Sachen Green Finance im Vergleich zu anderen europäischen Standorten dasteht und was vielleicht besser zu machen ist, das wird uns Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium, beantworten.

#00: 00:50-8# Ja, und dazu begrüßen wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, ganz herzlich. Wir, das sind Christiane Lange, sie ist Redakteurin der Börsen-Zeitung, und Sie haben sie eben schon gehört. Mein Name ist Detlef Fechtner. Ich bin Chefredakteur der Börsen-Zeitung, und wir begrüßen ganz herzlich Dr. Nimmermann. Schön, dass Sie heute bei uns sind.

#00: Hallo.

#00: Herr Nimmermann, Luxemburg hat bereits 2016, die Green Exchange gegründet, der Finanzplatz Paris profitiert von einem sehr ambitionierten Vorgehen der Regierung, in allen Nachhaltigkeitsratings wird aber der Finanzplatz Amsterdam gelobt als Vorreiter. Ist Frankfurter schon im Hintertreffen?

#00: 01:26-0# Ich würde vielleicht nicht Hintertreffen sagen, aber wir sind etwas später dran oder haben etwas später begonnen als andere Finanzplätze. Das heißt nicht, dass wir in Hessen später begonnen hätten. Da finden Sie schon im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 eine Passage zu Green Finance, die genau vorsieht, dass die Landesregierung plant, mit den Akteuren am Finanzmarktplatz genau eine Kooperation zum Thema Green Finance zu organisieren. Und aus dieser Überlegung ist dann auch das Green and Sustainable Finance Cluster Germany entstanden, genau aus der Initiative im Koalitionsvertrag. Auf Bundesebene gab es nicht wirklich Rückenwind, zumindest noch nicht so früh. Sie finden erstmalig jetzt in dem hier eben erwähnten Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis des Sustainable Finance. Wenn sie in die anderen Koalitionsverträge von 2013 oder 2018 schauen, findet man zwar viel über den Finanzplatz, aber wenig über das Thema nachhaltige Finanzen. Und das ist, glaube ich, wichtig, dass jetzt seit 2019 gibt es ja oder gab es den Sustainable Finance Beirat, der ins Leben gerufen wurde. Das war noch einmal ein wichtiger Schritt. Und wir tun jetzt alles daran, aufzuholen. Ich bin guter Dinge, weil wir haben eine sehr gute Vorarbeit geleistet. Und de facto wurde ja der Sustainable Finance Beirat beim BMF im Bund von den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern hier aus dem Green Sustainable Finance Cluster aus Hessen im Wesentlichen organisiert und hat dort wirklich, glaube ich, dazu beigetragen, diese guten Ergebnisse, die ja vorgelegt wurden, dann auch zu präsentieren.

#00: 02:48-4# Jetzt haben sie das Cluster schon genannt. Wie arbeitet so ein Cluster? Was ist quasi da effektiv für den Finanzplatz drin,, dass sie so ein Cluster bauen?

#00: 02:58-1# Also unser Ansatz ist, egal, was wir machen, dass wir das in einer Kooperation machen wollen mit denjenigen, die es tatsächlich betrifft. Es geht darum, Themen zu fokussieren, nach vorne zu bringen, dann Partnerinnen und Partner in der Wirtschaft, in diesem Fall in der Finanzwirtschaft zu suchen. Genau das ist der Klasse der Cluster. Der Cluster, ich würde mal sagen oder beziehungsweise die eigene Selbstbeschreibung sagt es ja selbst, ist ein Resonanzkörper, wo unterschiedliche Akteure am Finanzplatz sich austauschen können zu diesem Thema in diesem Fall nachhaltige Finanzen. Was heißt das? Was geht damit einher? Und zu gucken, wie man in einem, wie sagt man so schön, prä-kompetitiven Umfeld sich austauschen kann. Da, wo es noch nicht darum geht, dass man komplett im Wettbewerb miteinander steht, sondern vorher, nämlich genau die Frage, welche gemeinsame Sprache wollen wir sprechen? Wie können wir diese Sprache definieren? Und ein anderer Punkt ist: Banken haben sich zusammengeschlossen, etwas spät im internationalen Vergleich, aber besser spät als gar nicht, zur Net Zero Banking Alliance, und der Cluster unterstützt diese Banken dabei, die Versprechen, die dort niedergeschrieben sind, zu erfüllen. Und das Land Hessen wiederum unterstützt den Cluster dabei, genau diese Projekte zu machen. Es geht wirklich um den Austausch, um die Herausforderungen zu finden und dann zu adressieren. Und deswegen ist es, wie gesagt, eine sehr gute Plattform des Austauschs, der Koordinierung. Denn nur gemeinsam schaffen wir es. Es ist, glaube ich, nicht möglich, dass der Staat die Politik etwas vorgibt, ohne mit den Kooperationspartnern, mit den Akteuren vor Ort zu sprechen.

#00: 04:18-9# Da habe ich eine Nachfrage noch. Sie haben über den Sustainable Finance Beirat auch gesprochen und gesagt, über das Cluster war Hessen da gut vertreten. Das stimmt, aber wir haben nur den Abschlussbericht gesehen des Beirats. Ist denn da auch schon einiges umgesetzt oder in der Umsetzung oder im Begriff, dass es etwas verbessert? Gibt es da einzelne Initiativen, die Sie benennen können?

#00: 04:40-6# Also, wir haben mit großer Freude den Koalitionsvertrag gelesen. Da ist ja auch genau drin niedergeschrieben, dass die Empfehlung des Beirats umgesetzt werden sollte. Und dort steht vor allem darin, dass dieses Gremium jetzt dauerhaft etabliert werden soll als unabhängiges Gremium. Ich lese jetzt da mal raus, das, was wir aus Hessen schon die ganze Zeit fordern, nämlich tatsächlich eine Institutionalisierung dieses Beirats, das heißt also wirklich als Gremium schaffen, mit Budget unterlegen, ganz wichtig, weil momentan war das alles ehrenamtlich und das haben ehrlicherweise wir aus Hessen auch mit dann getragen über unsere Leute, dass das jetzt mit Budget ausgestattet wird. Ich fände es richtig beim BMF angegliedert, selbst wenn es unabhängig wäre und vielleicht sogar noch einen Schritt weiter zu gehen, sich zu überlegen, brauchen wir vielleicht so etwas wie einen Think Tank in Deutschland, wo wir versuchen, vorausschauend zu gucken, ähnlich wie Agora Energiewende oder ähnliche, wie wir weiterkommen, schneller Weiterkommen beim Thema Sustainable Finance, weil ohne die Finanzmärkte können wir diese riesengroße Transformation, die der Realwirtschaft bevorsteht, nicht wuppen. Das kann nicht nur mit staatlichem Geld passieren, das muss mit privatem Geld passieren. Staatliches Geld wird auch eine Rolle spielen und Rahmenbedingungen. Und das wäre so die wichtigste Forderung und dann tatsächlich jetzt so schnell vom neuen Bundesfinanzminister, wenn er dann im Amt ist, in Bälde, dass er dann die ersten Schritte auch gleich macht und das nicht auf die lange Bank schiebt. Sondern wirklich jetzt ist die Zeit. Wir sehen genau, dass jetzt die Zeit ist. Jetzt sind die Informationen da. Wir haben es bei COP 26 gesehen, das ISSB, kommt nach Frankfurt. Die Banken sind auch bereit und brauchen jetzt Guidance, Rahmenbedingungen, zusammen mit der Realwirtschaft und auch den NGOs zu schauen, wie kommen wir da hin, schnellstmöglich diese Ziele zu erreichen.

#00: 06:19-4# Sie haben gesagt, die Banken sind spät dran. Wenig Rückenwind von der Bundesregierung bisher. Die Frage: Was erwarten Sie von den Branchen selbst, also von der Industrie, von den Banken, von den Assetmanagern? Wenn man nämlich mal nach Amsterdam schaut, die ja in den Rankings von Sustainable Finance Standorten immer sehr hoch gewertet werden, da geht es weniger um Institutionen, die dort angesiedelt sind, sondern da wird gelobt oder hervorgehoben, wie stark eben Sustainable Finance von den Instituten vorangetrieben wird, wieviel Geld da reingesteckt wird, wieviel Fintechs die schon produziert haben. Also was erwarten Sie hier von der Branche?

#00: 06:52-2# Also ich finde immer interessant zu sehen, nach was was misst man das Ganze eigentlich? Also was sind unsere KPIs für den Erfolg. Und am Ende muss es doch sein, dass wir es schaffen, die Transformation der Realwirtschaft, weil nur darum kann es gehen, die Transformation der Realwirtschaft zu organisieren und zu finanzieren. Es geht darum, wie jetzt die Investitionen, die notwendig sind, wie die nächsten 20, 30 Jahre zu finanzieren. Und das sind im Grunde die KPIs. Da mögen auch die Anzahl der Fintechs eine Rolle spielen für den Finanzplatz. Das ist immer sehr wichtig, da würden wir uns mehr wünschen, auch hier in Hessen. Aber ich glaube, es ist genau der richtige Ort. Frankfurt ist genau der richtige Ort, an dem die Regulatorik auf die Branche trifft. Hier sind alle wichtigen Regulatoren, die EZB ist hier vor Ort, die Bundesbank, die BaFin, jetzt hoffentlich das ISSB bald, oder es kommt hierher hoffentlich sehr schnell, um genau diese Themen zu diskutieren. Und ich glaube, dass wir sehr schnell aufholen werden. Ich glaube, die Kooperation ist wirklich sehr, sehr wichtig. Die letzten zwei Jahre hat sich enorm viel getan in der Bankenbranche. Ich glaube, selbst als ich vor drei Jahren, grob drei Jahren angefangen habe, war das Thema zwar schon virulent, darf man jetzt noch sagen vor dem Hintergrund der Pandemie. Aber es war noch nicht so stark nach vorne. Aber die letzten zwei Jahre, anderthalb Jahren ist enorm viel passiert. Ich glaube, jetzt sind die Banken bereit und geben genug Commitment ab, genau in die Richtung zu gehen. Und ich glaube, wir kriegen das in einer Kooperation hin, diese gemeinsame Sprache zu sprechen. Um was geht es eigentlich bei nachhaltigen Finanzen, das Greenwashing-Thema ist wichtig, und dann die nächsten Schritte zu gehen. Nachhaltigkeit ist ja mehr als nur Klima und Klimakrise. Es ist Biodiversität, aber auch soziale Fragen. Und Governance. Good Governance ist ganz, ganz wichtig. Und wir haben ja auch gemerkt, wenn good Governance nicht da ist, Stichwort Wirecard, zu was das alles führen kann. Auch das ist ein Thema der Nachhaltigkeit. Und da ist Frankfurt genau der richtige Ort. Und deswegen glaube ich, die Standorte, die auch ein Stück weit, ich sag mal mit die Regulatorik oder geringerer Regulatorik geworben haben, um die eigenen Märkte voranzutreiben, dass vor dem Hintergrund von good Governance hier in Deutschland es, glaube ich, ganz wichtig ist, dass wir die Maßstäbe umsetzen, die wir gemeinsam vereinbart haben auf europäischer Ebene, unter Berücksichtigung des deutschen dreisäuligen Bankensystem, das ist nun mal ein anderes. Aber wo, wenn nicht hier in Deutschland, wo wir als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ein enorm starkes industrielles Rückgrat haben, wo wirklich diese Transformation stattfindet, das ist genau der Ort, wo diese Gespräche stattfinden müssen. Deswegen ist der ISSB auch genau richtig hier, weil hier kann man jetzt diese Standards festlegen, die dann später von Unternehmen in den Bilanzen umgesetzt werden müssen.

#00: 09:16-2# Erhoffen Sie sich denn durch Deutschland einen stärkeren Einfluss auch auf die Regulierung? Also ich sage jetzt mal, wenn man an das Thema Atomkraft denkt in der Taxonomie, da gibt es innerhalb Europas Unterschiede. Wir haben eine eigene Meinung, anderer haben eine andere. Glauben Sie, dass Deutschland dadurch einen stärkeren Einfluss haben kann?

#00: 09:31-2# Ja gut, also das ist die Frage, wo sie genau hinsprechen, also das ISSB ist ja eine internationale Kooperation, die dort stattfindet. Das wird weltweit diskutiert. Hier ist das Headquarter. Aber ich glaube, die Argumente können wir hier noch mal klarstellen. Wir können noch mal klarstellen, dass es auch funktioniert, nachhaltige Energieversorgung zu organisieren. Da sind wir in Deutschland ja sehr, sehr weit. Und wir können nochmal darauf hinweisen, dass Do-no-Harm auch ein Prinzip von Nachhaltigkeit ist. Und es geht nicht nur darum, CO2 zu reduzieren, sondern wie man es macht, muss es auch nachhaltig, auch nicht in der langen Frist zu mehr Schäden führen. Und ich nehme mal das beste Beispiel. Wenn Sie mir zeigen, dass Atomkraftwerke privat versichert werden können mit den ganzen Restrisiken, dann können wir darüber nachdenken, dass wir hier ein achhaltiges Modelle haben. Solange das nicht der Fall ist und es immer über eine Staatsversicherung de facto funktioniert, kann Atomkraft nicht nachhaltig sein. Das ist Unsinn. Ich glaube nicht, dass Deutschland dadurch eine große Rolle hat. Aber wenn die Diskussion hier in Frankfurt stattfindet, dann können wir a) die Aufmerksamkeit auf den Finanzplatz Frankfurt bringen, aber auch hier unsere Erfahrungen, die wir haben im Bereich Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien sehr gut mit einbringen.

#00: 10:29-9# Herr Nimmermann, wann geht das denn los mit dem ISSB? Was ist denn so ein bisschen die Timeline, die Sie vor Augen haben? Wann kommen denn die ersten Mitarbeiter hierher? Wann wird dieses Institut, dieses Bord hier arbeitsfähig sein?

#00: 10:45-0# Wir sind ja nur Gastgeber-Ort, insofern ist die Federführung natürlich in der Stiftung. Die Gespräche finden in Kürze statt. Die ersten Besuche finden statt, um zu schauen, wie kann man das hier in Frankfurt organisieren. Anfang nächsten Jahres sollen meines Wissens die Vorsitzenden bestimmt werden in einem Auswahlprozess und bereits Ende 2020 sollen ja schon die ersten Ergebnisse verkündet werden. Das heißt, es muss eigentlich im Grunde Anfang 2022 werden mit den ersten Menschen, die dann auch hier arbeiten vor Ort, um im Grunde zu schauen, wie gelingt es die momentan unterschiedlichen internationalen Standards - es gibt ja unterschiedliche Standards - ein Stück weit zu harmonisieren oder zumindest zu übersetzen. Was heißt das eine, das dort steht, für das andere, was hier steht? Und das mit der Regulatorik abzugleichen, weil wir auch regulatorische Herausforderungen haben und Anforderungen, die unterschiedlich sind. Auf EU-Seite sind es andere Anforderungen als in den USA. Aber es geht darum, wirklich zu schauen, wie kann man auf freiwilliger Basis – das ist ja das ISSB – es schaffen, eine gemeinsame Sprache zu formulieren. Das wird nicht in einem Jahr geschehen. Das wird viele Jahre dauern. Aber es ist ganz wichtig, hier eine Plattform zu finden, wo genau diese unterschiedlichen Interpretationen und Ideen zusammengebunden werden. Und da verspreche ich mir sehr viel für Frankfurt, weil wir diesen Ort bieten können mit der Regulatorik vor Ort. Und ich würde mir wünschen, dass wir nicht den niedrigsten gemeinsamen Nenner finden, was ja manchmal der Fall sein kann, sondern den größten gemeinsamen Nenner bei diesen Standards, wo man wirklich sagen kann. das Bild Made in Germany. Jeder kennt Made in Germany und verbindet damit hohe Qualität, hohen Anspruch, Langlebigkeit, dass wir genau das auch für diese internationalen Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit dann wahrnimmt, wenn das hier in Deutschland passiert, dass hier wirklich genau ein Weg gefunden wird, langfristig nachhaltig und verlässlich einen Bilanzierungsstandard und eine Definition von Nachhaltigkeit zu finden, auf die sich dann alle verlassen können. Denn man muss sich bei diesen langen Investitionen darauf verlassen können, dass nicht in zwei Jahren die Sachen wieder geändert werden. Und dann haben Sie vielleicht das Geld aufs falsche Pferd gesetzt.

#00: 12:37-3# Also Verlässlichkeit ist ein Punkt. Aber wenn sie jetzt noch mal an die politischen Akteure denken, Sie haben ja schon darüber gesprochen, was Sie von den Banken und von den Fonds und von Finanzplatzteilnehmern erwarten. Aber wenn Sie nach Brüssel oder Berlin schauen, nach Berlin haben Sie ja schon ein bisschen geschaut, auf die Ampelkoalition, aber auch vor allem nach Brüssel. Was fehlt denn jetzt noch in dieser Nachhaltigkeitsregulierung? Was ist aus Ihrer Sicht noch dringlich?

#00: 12:59-8# Also, wir sind ja schon gut vorangeschritten. Wir haben jetzt die Taxonomie im Wesentlichen für die Finanzmärkte, für die größeren Teilnehmer formuliert. Der nächste Schritt ist, diese Offenlegungspflichten auszuweiten, auszuweiten auch auf die Realwirtschaft. Am Ende ist ja im Portfolio einer Bank genau das drin, was in der Bilanz des Unternehmens drin ist. Und wir haben jüngst von der EZB einen Klima-Stresstests gesehen, sehr gut, wie ich finde, unter unterschiedlichen Szenarien aufgezeigt, welche Kosten damit verbunden sind, nicht zügig zu handeln, nämlich enorme Kosten. Kurzfristig sind es Kosten, auch wenn man handelt, weil es nun mal Investitionen betrifft, aber langfristig erhöht es die Produktivität und auch das Rating von Unternehmen. Und jetzt ist es die Aufgabe des Staates, die Unternehmen dabei zu begleiten, sie zu unterstützen in den nächsten wahrscheinlich zwei, drei, vier, fünf, vielleicht sogar zehn Jahren in der Zeit, wenn man besonders emissionsintensiv ist, diesen Investitionspfad zu gehen. Aber ich glaube, weitere zügige Diskussionen und Voranschreiten ist wichtig. Und endlich die Frage zu klären, muss denn alles nachhaltig sein, was man macht? Also, wenn am Ende Atomkraft, kann man ja weiterhin finanzieren in Frankreich, es ist das gute Recht aller, das zu finanzieren. Die Frage: ist es nachhaltig? Das müssen wir klären. Denn die Bürgerinnen und Bürger, die am Ende auch in Finanzprodukte anlegen, müssen sich darauf verlassen können, dass das, was sie eigentlich glauben, was da drin ist, auch tatsächlich drin ist. Es darf nicht sein, dass sie glauben, wir machen jetzt Nachhaltigkeit und stellen fest, sie hatten gar nicht gewusst, dass das auch alles nachhaltig ist. Es geht ja auch um die Finanzierung der Transformation. Also Brückentechnologien werden ja auch als nachhaltig definiert werden. Und da glaube ich, muss Klarheit geschaffen werden so früh wie möglich. Und da wünsche ich mir, dass das wirklich sehr schnell passiert, damit wir wirklich hier loslegen können, nicht nur noch reden, sondern tatsächlich handeln und finanzieren.

#00: 14:35-3# Weil sie auch das Stichwort Greenwashing genannt haben: Im Moment sehen wir einen sehr robusten Trend hin zu nachhaltigen Finanzanlagen. Die institutionellen Investoren haben das sehr massiv betrieben. Die Privaten sind mit etwas Verzögerung auch auf den Zug aufgesprungen und bewegen sich dorthin. Jetzt haben wir die ersten Skandale sozusagen. Also, dort merken wir, dass die Erwartungshaltung nicht übereinstimmt mit dem, was dann tatsächlich geliefert wurde. Da kann man dann lange diskutieren, wer daran Schuld war. Aber es gibt auf einmal auch ein paar Molltöne, und das Wort Greenwashing tritt immer häufiger in der Presse auf. Glauben Sie, dass dieser Trend hin zur nachhaltigen Kapitalanlagen dadurch gebrochen wird? Oder sind Sie zuversichtlich, dass das weiter anhalten wird?

#00: 15:18-3# Ich glaube nicht, dass der Trend gebrochen ist. Worum es jetzt geht, ist tatsächlich die Nachhaltigkeitskriterien und die Informationen über Nachhaltigkeit größer und stärker zur Verfügung zu stellen. Momentan ist es alles unter den unterschiedlichen Ratings aufgrund unterschiedlicher Foki. Uns geht es darum, vielleicht sogar über eine öffentliche Datenbank so schnell wie möglich, so viele wie möglich Nachhaltigkeitsinformationen zur Verfügung stellen und am besten mit Hilfe neuer Technologien, wie künstlicher Intelligenz zu schauen, wie kann man wirklich auch den Zusammenhang zeigen zwischen Finanzmarktstabilität und Nachhaltigkeit? Denn am Ende geht es um das Risiko. Es geht ja darum, das Risiko zu reduzieren. Das sind Klimarisiken oder andere Risiken, auch soziale Risiken mögen es sein oder Risiken von bad Governance, das transparent zu machen, dass jetzt Unternehmen so schnell wie möglich verstehen, welche ihre Risiken sind, damit man diese dann auch beheben kann durch Investitionen und die wiederum finanziert werden, am besten über den Finanzplatz.

#00: 16:07-3# Ja, das ist ein schönes Schlusswort, dass Sie gesagt haben, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch, Herr Dr. Nimmermann. Wir haben einiges gelernt und Ihr Blick auf den Finanzplatz ist sehr optimistisch. Wir als Börsen-Zeitung würden uns freuen, wenn Sie damit recht behalten. Herzlichen Dank für das Gespräch.

#00: Vielen Dank.

#00: Danke.

#00: 16:34-0# Wir kommen zu unserem Nachrichtenblock.

Thema: Starkes Wachstum nachhaltiger Fonds

Thema: Detlef, die Zahl der nachhaltigen Fonds nimmt ja deutlich zu. Fast kein Anbieter mehr, der nicht ein neues ESG-Produkt lanciert oder konventionelle umwidmet.

#00: 16:47-1# Ja, Das stimmt, der Markt wächst sehr schnell. Laut dem deutschen Fondsverband BVI beträgt der Anteil der nachhaltigen Produkte am gesamten Publikumsfondsvermögen hierzulande mittlerweile 24 %. In nachhaltige Publikumsfonds werden per Ende September 339 Mrd. Euro verwaltet. Das ist bald eine eine Vervierfachung in nur neun Monaten. Was Spezialfonds angeht, hat sich das Volumen in nachhaltigen Produkten in dieser Zeit von 56 auf 113 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Inzwischen ist zum Stichtag 30. September jeder 8. Euro, den deutsche Kunden investieren, nach nachhaltigen Kriterien angelegt.

#00: 17:25-3# Nach der BVI-Statistik ist das in nachhaltigen Fonds verwaltete Vermögen vor allem im ersten Quartal quasi explodiert. In der Zeit von Ende 2020 bis Ende März 2021 hat es sich bereits mehr als verdreifacht. Das heißt, die EU-Offenlegungsverordnung SFDR, die am 10. März in Kraft getreten ist, hat dem ganzen einen enormen Schub gegeben.

#00: 17:45-9# Ja, aber auf jeden Fall Christiane, das hat den Ausschlag gegeben. Denn mit der SFDR haben die Fondsanbieter Leitlinien an die Hand bekommen, mit denen sie ihre Produkte in nachhaltige und nicht-nachhaltige Produkte klassifizieren können. Und bei den nachhaltigen gibt es zwei Abstufungen: Fonds, die nach Artikel 8 der Verordnung eingeordnet werden, berücksichtigen ökologische und soziale Aspekte bei der Titelauswahl, Fonds nach Artikel 9 verfolgen explizit ein nachhaltiges Anlageziel. Viele Gesellschaften haben die Offenlegungsverordnung zum Anlass genommen, insbesondere ihr Publikumsfonds-Angebot zu überprüfen und Prozesse und Anlagestrategien gegebenenfalls anzupassen.

#00: Und wie Du sagst, das Gros, also rund drei Viertel des Wachstums nachhaltiger Publikumsfonds entfallen auf direkt im März mit Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung umgestellte Fonds. Später umklassifizierte Bestandsprodukte haben für weitere 9% Wachstum gesorgt.

#00: 18:44-0# Jetzt hast du grad Bestandsprodukte angesprochen. Aber wie sieht es mit neuen Fonds aus? Also inwieweit haben die zum Wachstum der nachhaltigen Volumina beigetragen?

#00: 18:52-0# Also neue Fonds und auch Neugeschäft in Bestandprodukte spielen dabei tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle. Auf sie entfallen 11% des Zuwachses. Und bevor Du fragst, der Effekt gestiegener Bewertungen, also höherer Anteilswerte, hat 4 Prozentpunkte zum Wachstum beigetragen. Also nochmal: Es war die Klassifizierung bestehender Produkte nach der Offenlegungsverordnung, die dieses massive Wachstum gebracht hat.

#00: 19:17-3# Jetzt muss man aber noch festhalten: Die Offenlegungsverordnung enthält vor allem Informationspflichten und macht keine Mindestvorgaben für Nachhaltigkeit, sagt also nichts über die Qualität der nachhaltigen Anlagestrategien aus.

#00: 19:28-9# Ja, so ist es. Konkretere Vorgaben werden dann mit den Durchführungsbestimmungen, also mit der Level-2-Verordnung kommen. Die soll voraussichtlich im Juli 2022 in Kraft treten.

#00: 19:51-5# Thema: Green Finance in der Kritik

#00: Gerade haben wir besprochen, dass die Volumina in nachhaltigen Produkten deutlich ansteigen. Ob das aber dem Klimaschutz tatsächlich hilft, bezweifeln das ifo-Institut, das Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE und die European School of Management and Technology in Berlin. In einer gemeinsamen Analyse sagen sie, grüne Finanzanlagen tragen wenig zum Klimaschutz bei. Wie wird das begründet?

#00: 20:15-9# Also die Autoren schreiben, wenn Anleger in ökologisch nachhaltige Unternehmenstitel investieren, werde zwar ihr Portfolio grüner, aber es ändere sich nichts an den Emissionen der Gesamtwirtschaft, denn die gesamtwirtschaftliche Produktion werde dadurch nicht verändert.

#00: 20:30-5# Okay, das bezieht sich auf von vorneherein grüne Titel, aber nicht auf transformatorische Effekte, die Investoren bei noch nicht grünen Anlagen erreichen können.

#00: 20:39-5# Ja, das stimmt. Hier weisen die drei Institute darauf hin, dass sich Privatanleger natürlich aktiv in Entscheidungsprozesse im Unternehmen einbringen können, entweder persönlich oder über ihre Fondsvertreter, um eine tatsächliche Änderung in der Produktion hin zu mehr Nachhaltigkeit anzustoßen. Dabei müssten sie aber bereit sein, Renditeeinbußen hinzunehmen, denn eine grünere Unternehmenspolitik gehe in der Regel zulasten der Erträge.

#00: 21:02-7# Wie sehen die Autoren denn eigentlich die Anlage in grünen Staatsanleihen?

#00: 21:06-7# Ja, da verhält es sich laut der Analyse ganz ähnlich wie bei Unternehmenstiteln. Denn die grünen Anleihen könne der Bund in genau der Höhe emittieren, in der vorher grüne Ausgaben im Bundeshaushalt identifiziert werden konnten. Damit würden also nur konventionelle durch grüne Anleihen ersetzt. Durch grüne Staatsanleihen würden dem Bundeshaushalt also keine zusätzlichen Mittel zur nachhaltigen Transformation zur Verfügung gestellt. Und daher habe die Anlage in grüne Staatsanleihen keine direkte Einflussnahme auf den Klimaschutz, so die Studie.

#00: 21:37-3# Was muss ich denn dann aus Sicht der drei Institute ändern?

#00: 21:40-6# Also, die Autoren fordern mehr staatliche Initiative. Der Schwerpunkt der Nachhaltigkeitsbemühungen solle stärker auf einen politischen Regulierungsrahmen gelegt werden. Als Beispiel wird ein Emissionshandelssystem genannt, mit dem sich der Schadstoffausstoß erheblich verringern ließe, sodass ein machbarer Anpassungspfad in Richtung einer CO2-neutralen Gesellschaft erreicht werde.

#00: 22:09-4# Thema: ESG sorgt für Handlungsdruck bei Versicherern

#00: Nachhaltigkeitsfragen – und dabei besonders die Themen Klima und Umwelt – beeinflussen die Strategien und das operative Handeln von Versicherungsunternehmen inzwischen wesentlich. Das ergab eine Studie der Beratungsgesellschaften EY und V.E.R.S. Leipzig GmbH. Auf der operativen Ebene leuchtet das natürlich sofort ein, wenn man an die durch den Klimawandel verstärkt auftretenden Naturkatastrophen denkt, die Schaden- und Rückversicherer massiv belasten.

#00: 22:37-4# Ja, ganz genau, die Versicherer spüren die direkten Folgen des Klimawandels im Geschäft und damit natürlich den unmittelbaren Druck, zu agieren. Und laut EY ist sich die Branche ihrer Rolle für die grüne Transformation der Wirtschaft auch bewusst. So hat die Einschätzung der Relevanz von Nachhaltigkeit in einer Umfrage in der deutschen Versicherungswirtschaft einen Indexwert von 84 auf einer Skala von Null bis 100 ergeben. Und innerhalb der nächsten zwei Jahre soll dieser Bedeutungsindex sogar auf 94 ansteigen. Was die Transformation der Branche selbst angeht, stehen die Versicherer nach Einschätzung der EY-Berater aber erst am Anfang ihrer Bemühungen.

#00: 23:15-0# Wo müssen die Versicherer denn ansetzen?

#00: 23:17-8# Ja, für eine ganzheitliche Transformation der Branche müssen die Unternehmen gleich mehrere Herausforderungen meistern, meint EY. Auf der einen Seite geht es um die Integration der ESG-Faktoren in ihre Produktangebote – auch um die veränderten Kundenwünsche zu bedienen. Auf der anderen Seite gilt es, die gesamtwirtschaftlich bedeutende Kapitalanlage von fast 1,8 Bill. Euro ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusst anzulegen. Und schließlich tragen sie mit dem Underwriting, also mit der Entscheidung, mit welchen Unternehmen sie Verträge abschließen, wesentlich zur Entwicklung ökologisch positiver oder negativer Geschäftsfelder bei.

#00: 23:53-6# Das heißt in Anführungszeichen braune Unternehmen bekommen dann möglicherweise kein Versicherungsschutz mehr oder er wird sehr teuer.

#00: 24:00-2# Ja, das ist das Druckmittel. Beispielsweise haben weltweit 23 der 30 größten Versicherungsunternehmen ihre Geschäfte mit der Kohleindustrie eingeschränkt oder ganz beendet, sie versichern diese Branche also nicht mehr oder nur eingeschränkt. Damit ist das Underwriting und die Preispolitik für die Versicherer ein wichtiges Handlungsfeld für mehr Nachhaltigkeit, aber sie sehen es laut der Umfrage nicht als das Wichtigste an. Das ist derzeit die Kapitalanlage. Laut EY zeigt sich das auch darin, dass sich immer mehr Versicherer auf ein klimaneutrales Anlageportfolio und ein klimaneutrales Versicherungsportfolio bis 2050 verpflichten.

#00: 24:43-5# Dann möchte ich Sie noch auf zwei Termine aufmerksam machen. Am 3. Dezember veranstaltet die Börse Luxemburg ein Webinar zu den Herausforderungen bei der Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten.

#00: Und am 7 Dezember findet das 4. Sustainable Finance Forum von PwC statt. aufmerksam machen. Da geht es unter anderem um die Level-2-Bestimmungen der Offenlegungsverordnung, also die Konkretisierungen, die am 1. Juli 2022 in Kraft treten sollen, und die Auswirkungen auf die Strukturierung von Produkten.

#00: Wir kommen jetzt zum Ende dieser Episode, und wir freuen uns, wenn Sie ihn gefallen hat und sie auch beim nächsten Mal am 16. Dezember wieder mit dabei sind. Und hören Sie auch gerne immer freitags hinein in unseren Podcast „7 Tage Märkte – die Wochenvorschau der Börsen-Zeitung“.

#00: 25:28-0# Darüber hinaus erscheint am Mittwoch, den 8. Dezember, eine Spezialausgabe von #Volatility – der Experten das Podcast Special von Börsen-Zeitung und QC Partners.

#00: 25:44-2# Im Rahmen eines Experten Round Tables diskutieren Thomas Altmann von QC Partners und Robert Halver von der Baader-Bank über den Marktausblick für 2022.

#00: Also bis zum nächsten Mal alles Gute,

#00: 26:04-5# „Nachhaltiges Investieren – der Podcast für die Investmentfondsbranche mit freundlicher Unterstützung von Union Investment“

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.